Bundesregierung einigt sich: Keine neuen Baustandards und Förderung für Wohneigentum
Im Kampf gegen den Wohnungsmangel in Deutschland hat sich die Bundesregierung auf ein Maßnahmenpaket geeinigt. Darin vorgesehen ist unter anderem der Verzicht auf die geplante Verschärfung der Energiestandards bei Neubauten, wie Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Montag in Berlin ankündigte. Außerdem soll es etwa mehr Geld für Familien auf dem Weg ins Eigenheim oder für den Heizungstausch geben. Die Bauindustrie lobte den Vorstoß, Kritik kam hingegen von Sozialverbänden.
Laut Koalitionsvertrag sollte der neue Energieeffizienzstandard EH-40 ab Anfang 2025 vorgeschrieben werden. Die Baubranche kritisierte dies angesichts der stark gestiegenen Baukosten seit Monaten scharf. Darauf reagierte die Ampel nun. Der neue Standard sei "nicht mehr nötig und wird ausgesetzt", heißt es in einem 14-Punkte-Papier, das laut Geywitz in Zusammenarbeit mit Finanzminister Christian Lindner (FDP), Umweltministerin Steffi Lemke sowie Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) entstand.
Außerdem will die Ampelregierung den Erwerb von Wohneigentum für mehr Familien stärker fördern. Die Kredithöchstbeträge werden demnach um 30.000 Euro und die Höchstgrenze beim zu versteuernden Einkommen von 60.000 Euro auf 90.000 Euro angehoben. Das noch junge Programm "Wohneigentum für Familien" war insbesondere wegen der bisherigen Einkommensgrenze kaum genutzt worden.
Wie von Geywitz und Habeck bereits angedeutet nimmt die Regierung auch Abstand davon, sich für eine Sanierungspflicht auf EU-Ebene einzusetzen. "Verpflichtende Sanierungen einzelner Wohngebäude" sollen ausgeschlossen werden, heißt es im Papier. Außerdem soll es Geld aus dem Klima- und Transformationsfonds für den Erwerb von sanierungsbedürftigen Bestandsgebäuden mit Sanierungsauflagen geben.
An die im Zuge des Heizungsgesetzes geplanten Fördersätze für den Heizungstausch will die Bundesregierung noch einmal rangehen. Der maximale Fördersatz soll demnach von 70 auf 75 Prozent steigen. Der sogenannte Speed-Bonus, der gewährt wird, wenn Heizungen vorzeitig klimafreundlich ersetzt werden, steigt für 2024 und 2025 von 20 auf 25 Prozent und soll nicht nur Eigentümern im Eigenheim, sondern auch Wohnungsunternehmen und Vermietern zustehen.
Das Maßnahmenpapier legte die Bundesregierung am Montag bei einem Treffen im Bundeskanzleramt mit über 30 Verbänden und Vereinen vor. Die Baubranche begrüßte es: "Es werden viele wichtige Punkte aufgegriffen, die die Bauindustrie gefordert hat, und es ist umfangreicher als erwartet", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller. Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe (ZDB), Felix Pakleppa, lobte insbesondere die Aussetzung des neuen Energiestandards.
Von Gewerkschaftsseite und Sozialverbänden kam hingegen Kritik. "Die Bundesregierung verliert kein Wort zu besserem Mieterschutz, gibt keine zusätzlichen Impulse für den sozialen Wohnungsbau und es fehlen verbindliche Zusagen für die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit", bemängelte Stefan Körzell vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Für die Arbeiter Wohlfahrt (AWO) konzentriert sich die Bundesregierung zu sehr auf den Neubau von Wohnungen.
Auch die Grünen betonten, dass der Neubau nur ein Teil der Lösung sein könne. Parteichefin Ricarda Lang forderte eine Stärkung der Mieterrechte. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, legte ebenfalls darauf den Fokus. Innerhalb der Bundesregierung gab es für Vorschläge wie die Verschärfung der Mietpreisbremse oder die Begrenzung von Indexmieten aber offenbar keinen Konsens.
Die Linke bezeichnete den Baugipfel im Kanzleramt deshalb als "einzige Enttäuschung für Mieterinnen und Mieter". "Zwei Jahre nachdem Olaf Scholz sich selbst zum 'Kanzler für bezahlbares Wohnen' erklärt hat, steigen die Mieten ungebremst weiter", erklärte die Abgeordnete Caren Lay. "Der soziale Wohnungsbau kommt nicht in die Gänge und der versprochene Mietenstopp steht noch nicht einmal auf der Tagesordnung."
Caritas und Diakonie betonten, dass ärmere Menschen von Sanierungen besonders profitieren, weil sie häufig in energetisch schlechten Gebäuden wohnten. Die Sozialverbände kritisierten vor diesem Hintergrund die Absage an die Sanierungspflicht auf EU-Ebene.
V.Barbieri--IM