Keine wissenschaftlichen Einwände gegen weitere EU-Genehmigung von Glyphosat
Die für Lebensmittelsicherheit zuständige EU-Behörde Efsa hat keine wissenschaftlichen Einwände gegen eine Verlängerung der Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat. Das geht aus den am Donnerstag vorgestellten Schlussfolgerungen der Neubewertung des Wirkstoffs durch die in Parma ansässige Behörde hervor. Die Einschätzung dient als Grundlage für eine Entscheidung der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten über eine mögliche fünfjährige Verlängerung der Glyphosat-Zulassung. Diese müsse nun erfolgen, forderte der Glyphosathersteller Bayer.
Die Efsa teilte mit, sie habe bei ihrer Risikobewertung des Stoffes "keine kritischen Problembereiche ermittelt, die in Bezug auf das von ihm ausgehende Risiko für Mensch und Tier oder die Umwelt Anlass zu Bedenken geben". "Kritisch" wären Risiken demnach dann, wenn sie "alle vorgeschlagenen Verwendungen des zu bewertenden Wirkstoffs" betreffen. Dies würde der Verlängerung der Zulassung im Wege stehen, sei bei Glyphosat jedoch nicht der Fall.
Glyphosat ist der Wirkstoff im Unkrautbekämpfungsmittel Roundup des US-Unternehmens Monsanto, das zum Leverkusener Bayer-Konzern gehört. Roundup wird trotz heftiger Kritik weltweit in der Landwirtschaft eingesetzt. In Europa konzentriert sich die Debatte vor allem auf eine mutmaßliche krebserregende Wirkung des Stoffes. Untersuchungen unter anderem der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatten dies nahegelegt.
Allerdings war die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) im vergangenen Jahr zu dem Schluss gekommen, dass Glyphosat die wissenschaftlichen Kriterien für eine Einstufung als krebserregender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoff nicht erfüllt. Dieses Ergebnis sei in die Gesamtbewertung eingeflossen, erklärte die Efsa.
Gleichwohl konnten die Efsa-Untersuchungen in einigen Bereichen nicht abgeschlossen werden, da relevante Daten fehlten. Dies betreffe etwa mögliche Risiken für die Ernährung der Verbraucher und für Wasserpflanzen. Auch die Auswirkungen auf die Artenvielfalt hätten noch nicht abschließend bewertet werden können, erklärte die Behörde.
Der Bayer-Konzern begrüßte den Efsa-Bericht. Dieser lege den "Grundstein für die erfolgreiche Wiederzulassung von Glyphosat in der EU". Dem schloss sich der FDP-Bundestagsabgeordnete Gero Hocker an: Glyphosat sei "eines der am besten erforschten Pflanzenschutzmittel" und habe "bei der konservierenden umweltschonenden Bodenbewirtschaftung eine große Bedeutung", erklärte er. "Wer politische Entscheidungen auf Grundlage wissenschaftlicher Fakten trifft, für den ist die Wiederzulassung auf EU-Ebene alternativlos."
Die Verbraucherorganisation Foodwatch sieht sich durch die Efsa-Bewertung hingegen in ihrer Ablehnung des Unkrautvernichters bestätigt: Das Ergebnis sei nicht eindeutig - in diesem Fall müsse politisch entschieden werden, erklärte Annemarie Botzki von Foodwatch. "Die EU-Kommission muss dem Vorsorgeprinzip Rechnung tragen und dem Wirkstoff die Zulassung entziehen."
Bislang hatte die Brüsseler Behörde allerdings stets anders entschieden: 2017 drang das EU-Parlament auf ein Verbot des Stoffes, die Kommission sprach sich aber unter Verweis auf noch ausstehende wissenschaftlichen Neubewertungen für eine fünfjährige Verlängerung aus. Bei der finalen Entscheidung im Kreis der EU-Staaten kam es damals zu einem Eklat: Der deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) stimmte für die Verlängerung, obwohl sich die Bundesregierung nicht einig war.
Die Efsa sollte ihr sogenanntes Peer-Review zu Glyphosat dann 2022 mit Blick auf die im Dezember auslaufende Zulassung veröffentlichen. Der Termin wurde aber unter Verweis auf die "beispiellose Anzahl" eingegangener Stellungnahmen verschoben. Nach Angaben von Bayer reichten die beteiligten Unternehmen das mit mehr als 180.000 Seiten umfangreichste Dossier ein, "das bisher für einen Pflanzenschutzmittelwirkstoff erstellt wurde". Die EU-Kommission verlängerte die Zulassung deshalb erneut um ein Jahr, bis diesen Dezember soll nun eine Entscheidung fallen.
Die Umweltorganisation BUND bemängelte, dass die Efsa "einen Freifahrtschein für das in Europa am meisten verwendete Totalherbizid" ausgestellt habe, "obwohl die Behörde selbst Daten-Lücken einräumt". Das Grundproblem sei, dass das europäische System zur Pestizid-Zulassung offenbar "die Gefahren für Gesundheit und Ökosystem weitgehend ignoriert".
Foodwatch kündigte zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) rechtliche Schritte gegen die Glyphosat-Zulassung in Deutschland an. Die Efsa-Bewertung widerspreche den Ergebnissen der WHO und weiteren wissenschaftlichen Studien, erklärte DUH-Chef Jürgen Resch. "Produkte mit Glyphosat dürfen nicht länger in Deutschland zugelassen werden."
D.Lombardi--IM