Erneuter Bundesweiter Warnstreik legt Bahnverkehr lahm
Ein erneuter Warnstreik, ausgerufen durch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), hat am Freitagvormittag den Schienenverkehr in ganz Deutschland lahmgelegt. Bis 11.00 Uhr sei "quasi nichts mehr gefahren", sagte die EVG-Tarifverantwortliche Cosima Ingenschay. In allen 50 Bus- und Bahnunternehmen, mit denen die Gewerkschaft in Verhandlungen steht, habe es "massive Auswirkungen" gegeben. Die Deutsche Bahn stellte den Betrieb "nahezu ganz ein", wie ein Sprecher sagte.
Die Gewerkschaft hatte für ab 03.00 Uhr morgens zum Arbeitsausstand aufgerufen. "Punkt 11.00 Uhr haben die Streikenden ihre Arbeit wieder aufgenommen", erklärte sie später. Nach Angaben der Bahn würde es im Fernverkehr allerdings länger dauern, bis wieder Normalität einkehrt. Ab 13.00 Uhr sollten die Züge "nach und nach" wieder fahren; mit Beeinträchtigungen sei bis in die frühen Abendstunden zu rechnen.
Ingenschay wertete den Streik als Erfolg. "Wir haben sogar an mehr Standorten Streikende gehabt als beim letzten Warnstreik", sagte die Gewerkschafterin. Der zweite bundesweite Warnstreik innerhalb von vier Wochen sei nötig gewesen, um den Druck auf die Deutsche Bahn mit Blick auf die Verhandlungen am kommenden Dienstag und Mittwoch noch einmal zu erhöhen.
Ende März hatte die EVG gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zum Streik im gesamten Verkehrssektor aufgerufen. Ein DB-Sprecher kritisierte den erneuten Arbeitskampf als "unnütz und unnötig". Am Dienstag beginne die nächste Verhandlungsrunde mit der EVG, der Konzern habe ein Angebot vorgelegt, das sich am Schlichterspruch für den Öffentlichen Dienst orientiert.
Die Bahngewerkschaft prangert dies als "Verweigerungshaltung" an. DB-Personalvorstand Martin Seiler habe sich offenkundig nicht einmal mit dem in monatelanger Arbeit von den Gewerkschaftern erarbeiteten Forderungen der Arbeitnehmer beschäftigt, sagte der EVG-Tarifverantwortliche Kristian Loroch. Er mache es sich zu einfach, wenn "er etwaige Schlichtungsempfehlungen anderer Auseinandersetzungen einfach abschreibt".
Wenn es in der kommenden Woche nicht zu einem verhandlungsfähigen Angebot komme, werde es "natürlich massivere Streikationen" geben, sagte Ingenschay. "Die Bereitschaft ist da." Bestärkt darin fühlte sich die EVG auch durch eine Entscheidung des Arbeitsgericht in Frankfurt am Main: Zwei Bahnunternehmen hatten laut EVG ein Verbot des Streiks eingefordert, seien aber laut Richterspruch vom Donnerstagabend damit gescheitert.
Neben dem Bahn- war auch der Flugverkehr stark eingeschränkt. Wie am Vortag streikte am Freitag das Sicherheitspersonal an den Flughäfen Hamburg, Köln/Bonn und Düsseldorf, hinzu kamen Arbeitsniederlegungen auf den Flughäfen Stuttgart und Karlsruhe/Baden-Baden. Zehntausende Reisende waren betroffen. Verdi hatte zu den Streiks aufgerufen.
Außer am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden wurden an den Flughäfen alle oder ein Großteil der Flüge gestrichen. In Karlsruhe kam es nach Angaben eines Verdi-Sprechers vor allem zu Verspätungen. Die Streikbeteiligung sei auch dort sehr gut, aber Verwaltungsangestellte und die Landespolizei hätten teils die Aufgaben der Streikenden übernommen. Mit der Polizei verhalte sich ein staatliches Organ im Arbeitskampf offenbar "nicht neutral", kritisierte der Sprecher.
Verdi will mit den Warnstreiks erreichen, dass die Arbeitgeber die Zeitzuschläge für Nacht-, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit erhöhen sowie die Überstunden besser entlohnen. Tarifverhandlungen am 11. und 12. April hatten keine Einigung gebracht. Die nächste Verhandlungsrunde ist am 27. und 28. April geplant.
Die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann (CDU), forderte eine Debatte über mögliche Änderungen am Streikrecht. Niemand wolle dieses einschränken, sagte sie den Sendern RTL und ntv. "Aber auch bei Streiks müssen Maß und Mitte berücksichtigt werden."
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, betonte im Gespräch mit den Sendern hingegen, Streiks im Arbeitskampf seien ein "guter Grundsatz in unserer Demokratie". In Deutschland gebe es "extrem wenige Streiktage im internationalen Vergleich".
N.Baggi--IM