Ukraine drängt bei Kampfpanzern und Munition zur Eile
Ungeachtet der erwarteten russischen Offensive in der Ukraine kommt die Lieferung von Kampfpanzern und Munition an Kiew nur schleppend voran. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zeigte am Dienstag bei der Nato in Brüssel "wenig Verständnis" für Länder wie Polen, die nach starkem Druck auf Berlin nun selbst wenig zur Verfügung stellten. Die Ukraine drängte die Partnerländer vor dem Jahrestag des russischen Angriffs zur Eile.
In Brüssel beriet zum neunten Mal seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 die sogenannte Ukraine-Kontaktgruppe über weitere Militärhilfen. An den Gesprächen nahm der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow persönlich teil. Er forderte von den Verbündeten auf Twitter unter anderem eine rasche Stärkung der "Panzer-Koalition" und mehr Munition.
Die Bundesregierung hatte der Ukraine kürzlich 14 Leopard-2-Kampfpanzer eines neueren Modells zugesagt. Polen will darüber hinaus ein Bataillon mit rund 30 Panzern eines älteren Leopard-2-Modells zusammenstellen. Da sehe es aber "nicht ganz so berauschend aus", kritisierte Pistorius - "insbesondere was den Zustand und die Einsatzfähigkeit der Panzer angeht".
Neue Zusagen kamen von Portugal und Norwegen. Nach Pistorius' Angaben will die Regierung in Lissabon der Ukraine drei Panzer eines neueren Leopard-2-Typs zur Verfügung stellen. Für ein kleines Nato-Land wie Portugal sei dies ein "angemessener Beitrag", betonte der SPD-Politiker.
Kurz darauf hieß es aus Oslo, Norwegen werde der Ukraine acht Leopard-2-Panzer liefern. Dazu kämen Ersatzteile, Munition sowie bis zu vier gepanzerte Fahrzeuge. Wann die Panzer geliefert werden sollen, ließ das Verteidigungsministerium jedoch offen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte bei einem Besuch im belgischen Seebrügge die Hoffnung auf weitere Zusagen: "Ich bin sehr froh, dass es die Bereitschaft vieler gibt, da mit zu tun", sagte er zu der Panzer-Koalition. Deutschland habe bisher "alles getan, was in unserer Macht steht", um die Ukraine zu unterstützen.
Pentagonchef Lloyd Austin mahnte in Brüssel, die Ukraine habe "dringende Bedürfnisse" zu diesem "kritischen Zeitpunkt des Krieges". Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte, die bereits gelieferten Waffensysteme müssten auch einsatzbereit sein: "Wir brauchen Munition, Ersatzteile und Wartung", forderte er.
Beim Thema Munition konnte Pistorius von einem Fortschritt berichten: In Deutschland soll erstmals wieder die dringend benötigte Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard produzieren, der in der Ukraine im Einsatz ist. Die Verträge mit den Herstellern seien unterschrieben, sagte der SPD-Politiker.
Der Düsseldorfer Rüstungslieferant Rheinmetall soll nach Pistorius' Worten "unverzüglich" die Produktion aufnehmen. Dem Vernehmen nach geht es um 300.000 Schuss, die von Juli an in die Ukraine geliefert werden sollen.
Die Frage nach Kampfjets für die Ukraine stellt sich nach Pistorius' Einschätzung derzeit nicht: Luftverteidigung und Munition seien "viel wichtiger (...) als die Diskussion über Kampfjets", sagte er. Auch Stoltenberg sagte, Kampfjets für die Ukraine schließe er zwar nicht aus, dies sei "jetzt aber nicht die dringlichste Frage".
Pistorius' Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD) hatte der Ukraine für dieses Jahr zudem zwei weitere moderne Luftabwehrsysteme vom Typ Iris-T zugesagt. Diese sollen nach den Worten des Verteidigungsministers "im Laufe der nächsten Monate" geliefert werden - so die Rüstungsindustrie mit der Produktion nachkommt.
Am Dienstagnachmittag wollten in Brüssel die Verteidigungsminister der 30 Nato-Länder zusammenkommen. Bei dem Treffen geht es bis Mittwoch um die Stärkung der Rüstungsproduktion, eine neue Zielmarke für die Verteidigungsausgaben sowie den Schutz der kritischen Infrastruktur wie Untersee-Pipelines.
P.Russo--IM