

Unruhe in Union wegen Schuldenpolitik - Frei räumt Abkehr von Wahlversprechen ein
Der CDU-Politiker Thorsten Frei hat eingeräumt, dass die Union mit ihrer Zustimmung zu Sondervermögen und Änderung der Schuldenbremse von ihren Wahlversprechen abgewichen ist. Die Wählerinnen und Wähler hätten die Union bei der Bundestagswahl "bedauerlicherweise nicht mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet", sagte der Parlamentsgeschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Donnerstag im ZDF. Nur mit einer solchen absoluten Mehrheit hätte die Union aber ihre Wahlversprechen komplett umsetzen können.
Mit Blick auf die Finanzbeschlüsse in den Sondierungsgesprächen mit dem möglichen Koalitionspartner SPD sagte Frei: "Es ging uns um die Verteidigungsfähigkeit des Landes, da müssen Sie unter Umständen Kompromisse schließen."
Die Einigung der Unionsspitze mit der SPD auf Finanzierungsmechanismen für die künftige Bundesregierung stellt eine Abkehr von bisherigen Unionspositionen dar. Konkurrierende Parteien werfen der Union deshalb einen Bruch von Wahlversprechen vor.
Auch innerhalb der Unionsfraktion gibt es Unmut - weniger wegen der Lockerung der Schuldenbremse zugunsten höherer Verteidigungsausgaben als vielmehr wegen des von der SPD favorisierten schuldenfinanzierten Sondervermögens von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur.
Der Vorsitzende der CDU-Nachwuchsorganisation, Johannes Winkel, kritisierte gegenüber den RND-Zeitungen vom Donnerstag: "Die SPD hat sich zu Beginn der Verhandlungen durchgesetzt - ohne erkennbare Zugeständnisse zu machen." Die Junge Union erwarte nun im Gegenzug, "dass wir unsere Punkte bei Migration, Wirtschaft, Rente durchsetzen".
Eine Absage erteilte der JU-Chef der von den Parteiführungen von CDU, CSU und SPD angekündigten grundsätzlichen Reform der Schuldenbremse in der neuen Legislaturperiode, wofür im Bundestag auch die Stimmen der Linken benötigt würden.
Auch der Chef der JU Bayern, Christian Doleschal, lehnte eine weiterreichende Reform der Schuldenbremse ab. "Dazu wären Stimmen der Linken notwendig, und es würde die Schleusen weiter öffnen für Schulden, die die nachkommenden Generationen am Ende bezahlen müssen", warnte er in den RND-Zeitungen.
Auf die Frage, ob die Union mit ihrer Zustimmung zu den Finanzbeschlüssen nicht ein Wahlversprechen gebrochen habe, verwies Parlamentsgeschäftsführer Frei im ZDF auf die rasanten Veränderungen in der Außen- und Sicherheitspolitik, die vor allem von der US-Regierung unter Präsident Donald Trump ausgehen.
"Man muss auf Situationen, die sich verändern oder dramatisch beschleunigen - zum Beispiel die außen- und sicherheitspolitische Lage in unserem Land - Antworten finden", sagte Frei. Insbesondere in den vergangenen Tagen habe es mit dem US-ukrainischen Eklat im Weißen Haus eine "extreme Beschleunigung der Verhältnisse" gegeben.
In einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte es am Dienstagabend deutliche Kritik an dem geplanten Sondervermögen Infrastruktur gegeben. Wie der "Spiegel" am Donnerstag unter Berufung auf ein Protokoll der Sitzung berichtete, begründete Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) seinen plötzlichen Kurswechsel mit der geänderten außenpolitischen Lage.
"Ich bin sehr dankbar, dass wir die außen- und verteidigungspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland mit dieser Entscheidung heute vollumfänglich unter Beweis stellen", wird Merz vom "Spiegel" zitiert. "Wenn es heute Nacht passieren sollte, dass Trump tatsächlich einen Austritt aus der Nato erwägt oder gar verkündet, dann sind wir als Bundesrepublik Deutschland die Ersten, die bereits im Vorgriff darauf richtig reagiert haben."
Parlamentsgeschäftsführer Frei wies in dem ZDF-Interview die Deutung zurück, die Union habe sich mit der Zustimmung zu dem von der SPD gewünschten Infrastruktur-Sondervermögen die Zustimmung des potenziellen Koalitionspartners zu höheren Bundeswehr-Ausgaben quasi erkauft. Wenn eine schwarz-rote Koalition zustande komme, dann seien "Projekte immer gemeinsame Projekte", sagte der CDU-Politiker. "Ich halte nichts davon, das eine gegen das andere auszuspielen."
P.Rossi--IM